Sitzplatzbewirtschaftung bei der Deutsche Bahn AG

Eine kleine Reisebeschreibung über eine Fahrt mit der Deutsche Bahn AG

Sitzplatzbewirtschaftung

Dass die Deutsche Bahn verbesserungsbedürftig ist, weiß inzwischen jeder, der zurzeit damit fahren muss. Oder besser, man wird jedes Mal, wenn man damit fahren muss, aufs Neue daran erinnert.

Beginn der Reise

Heute morgen, 5:48 Uhr, Köln. Ich hatte Wagen 12, 1. Klasse reserviert, aber der Zug ist von Wagen 22 bis 36 gereiht. Ich suche mir irgendeinen Platz im Zug, beschließe Wagen 32 zu nehmen, weil das noch am meisten nach 12 klingt und 22 ja 2. Klasse war. Also suche ich nun Wagen 32 und frage das Zugpersonal, als ich an deren Kabuff vorbei komme, was denn nicht stimme, die Wagenreihung fehlerhaft, welcher Wagen denn Wagen 12 sei. Das sei ein technisches Problem, wird mir erklärt, aber die erste Klasse sei dort, und man zeigte mit dem Finger in die Richtung, in die ich im Begriff war zu gehen. Aber, meinte man zudem, in der ersten Klasse gäbe es keine Probleme mit den Fahrgästen, es sei überall freier Platz.

5:50 Uhr und ich sitze nicht auf dem Platz, auf dem ich schlafen wollte, bis ich um 10:18 Uhr in München aussteigen muss.

Erster Halt

6:02 Uhr, in Siegburg ist erster Halt und es steigen die ersten Fahrgäste zu. Sie suchen sich ihre Plätze anhand ihrer Reservierungen aus. Da frage ich einen der Zugestiegenen, ob er reserviert habe und wie er seinen Platz gefunden hätte. „Ja, ich habe meinen Platz reserviert," sagte er und "draußen steht Wagen 12 und Wagen 22 angeschrieben.“

Oha. Zusteigende wissen also, wo sie sich hinsetzen müssen, nur die in Köln Eingestiegenen nicht. Das kann ja heiter werden, wenn in Frankfurt die Lufthansa Flugreservierungen oder in Mannheim und Stuttgart die großen Massen Morgenreisender zusteigen.

Durchsage

Dann plötzlich eine Durchsage, „technisches Problem, Wagenreihung nicht angezeigt, man solle Rücksicht nehmen, wenn jemand mit einer Reservierung käme.“ Etwas Dümmeres habe ich noch nicht gehört. Wenn die Wagenreihung nicht korrekt angezeigt wird, kann niemand auf seinen reservierten Sitzplatz bestehen. Gerade noch gedacht und klick oben auf der Bildschirmanzeige steht plötzlich Wagen 22.

Bei der Fahrkartenkontrolle frage ich dann, wo denn Wagen 12 sei. Das hier sei Wagen 12 , erklärt mir die freundliche Kontrolleurin. Und wo das stünde? Wieder die Aussage, in der 1. Klasse sei Platz genug, da gäbe es nie Probleme. Und ich, immer noch nicht auf meinem Schlafplätzchen. Aber sie suchte mir meine Sitzplatznummer und ich setzte mich auf den passenden Platz in dem noch angezeigten Wagen 22. Auf dem Wege zurück in ihr Kabuff, hörte ich die Zugführerin dann zu ihrer Kollegin sagen - natürlich so, dass ich es hören konnte - „dann werde ich nochmal versuchen, das System aufzusetzen!“

Der kleine Unterschied - Großkundenbehandlung

Kurz vor Frankfurt Flughafen fällt mein Blick auf die Sitzplatzanzeige und ich stelle fest, dass alle Reservierungen ab den kommenden Bahnhöfen angezeigt werden, und in der Bildschirmanzeige steht nun Wagen 12. Kurz vor den Lufthansa-Zustiegen ging es also doch. Und eine Stunde und 10 Minuten nach meiner Beschwerde und nach einer Reihe unschöner Irritationen und Fehlplatzierungen. Nächster Halt, Frankfurt Flughafen und eine Masse von Lufthansa-Passagieren strömt in den Großraumwagen auf seine reservierten Plätze. Der Wagen ist bis auf den letzten Platz voll.

I Have A Dream

Da schließe ich die Augen auf meinem reservierten Sitzplatz und beginne von einer besseren Welt zu träumen, in der es überhaupt keine Sitzplatzreservierungen gibt, oder nur für einen kleinen Teil der Sitzplätze, damit Behinderte oder Familien mit Kleinkindern oder allein reisende Kinder einen sicheren Sitzplatz buchen können, wenn dies erforderlich ist, aber nur als Ausnahme. Ich träume von einer Welt, in der man sich ohne Bedenken auf freie Plätze setzen kann, ohne von notorischen Platzreservierern wieder herunter genötigt zu werden. Ich träume von einer besseren Welt, die längst schon Wirklichkeit ist, dort wo die Deutsche Bahn AG nicht fährt, dort wo nicht mehr Deutschland ist.

Gute Beispiele

Die Schweizer Bundesbahn - SBB CFF FFS - ist da ein gutes Beispiel. Es gibt - außer auf einigen Ausnahmestrecken bzw. in den entsprechenden Ausnahmezügen - keine Reservierungen. Und es funktioniert. Die Züge weisen in der Regel ausreichend freie Sitzplätze auf. Die Abteile sind auf etwas besserem Stand, als die deutsche 2. Klasse, vor allem sauberer und mit mehr Platz und Komfort als in der Deutschen 2. Klasse.

Ein anderes gutes Beispiel ist Spaniens RENFE, dort erhält jedes gekaufte Zugticket einen festen Platz. Daher gibt es keine gesonderte Reservierung ohne Zugticket, so wie das bei der Deutsche Bahn AG möglich ist. Übrigens, seit den Terror-Änschlägen von Madrid hat in Spanien jeder Langstreckenzug eine Security-Kontrolle von der die Passagiere direkt in eine Lounge für ihren Zug gelangen, die von denen anderer Züge getrennt ist, so dass ein Austausch eventuell verdächtiger Gegenstände nicht mehr mögich ist.

Epilog

Ist es ein deutsches Problem, dass es Reservierungen für Individualplätze geben muss? Das setzt sich ja fort, an den Swimmingpools und Strandliegen der südlichen Urlaubsressorts oder in Saunen der Fitnessstudios, in Restaurants und inzwischen auch bereits bei der öffentlichen Parkraumbewirtschaftung, und an anderen Orten. Aus benötigtem öffentlichen Räumen wird individuell mietbares Wirtschaftsgut geschaffen.

Ich frage mich inzwischen, erzieht solche Platzbewirtschaftung, wie es die Deutsche Bahn AG betreibt, nicht Menschen dazu, so zu sein? Da stellt sich gleich die zweite Frage, war die Sitzplatzreservierung zuerst, oder sind die Deutschen zuerst so gewesen? Und, bin ich wieder der Einzige, dem es auffällt, wie schlecht Deutschland da mal wieder funktioniert?

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